Berliner Tagesspiegel berichtet

Clown Under im Berliner Tagesspiegel!

Ein Bericht in der Hauptstadt über Andreas Schaible

 

Andreas Schaible wollte nach der Schule weder direkt an die Uni noch bei Work and Travel Bananen pflücken. Stattdessen heuerte er bei einem australischen Wanderzirkus an. Ein Knochenjob – bis sein komisches Talent entdeckt wurde.

Rote Nase, struppige Perücke, weiß geschminktes Gesicht: Andreas grinst ein Clown aus dem Spiegel entgegen. Er atmet einmal tief durch, greift sich sein Steckenpferd, reitet zum Zirkuszelt und in die Manege. Alle Scheinwerfer sind auf ihn gerichtet.
Als sich seine Freunde überlegten, was sie studieren wollen, wusste Andreas, dass er wegwill. Er hatte gehört, dass in Australien die Bedingungen für Backpacker gut sind. Das Land ist sicher, es gibt gute Busverbindungen, viele Hostels, und die Menschen sprechen Englisch. Viele Schüler gehen nach dem Abitur nach Australien, um in Bars zu arbeiten oder als Erntehelfer Bananen zu pflücken

Auf Bananenpflücken hat Andreas aber keine Lust.
An einem Abend, kurz vorm Einschlafen, kommt ihm dann eine Idee: Im Zirkus arbeiten, das wäre doch was. Am nächsten Tag setzte er sich vor seinen Computer und sucht nach „circus Australia“. Er verschickt Mails an verschiedene Zirkusse. Anfangs ist er skeptisch. „Warum sollten die mich wollen?“ Als ihm der Silvers Circus antwortet, weiß er: Volltreffer! Er ist bei einem der größten Zirkusse Australiens gelandet.
Er bucht einen Flug, beantragt Visum und internationalen Führerschein und erneuert seinen Pass. Dabei macht er die Erfahrung, dass es auch gut ohne eine der vielen Reiseorganisationen geht, die Work and Travel anbieten. Als Andreas losfliegt, ist er 19 Jahre alt.

Manege frei – Andreas Schaible als Clown im australischen Zirkus

In Australien reist er erst mal drei Wochen herum. Dann packt er seinen großen Reiserucksack, löst ein Zugticket und fährt in die Nähe von Melbourne, wo der Zirkus gerade haltmacht. Ein Zirkusmitarbeiter führt ihn herum und bringt ihn zu einem Wohnwagen, wo er für das nächste halbe Jahr leben wird. „Erst da begriff ich: Das ist die Realität, hier werde ich arbeiten“, erzählt er.

Ein harter Job – bis er sich mit dem Zauberer anfreundet

Am Anfang steht Andreas ganz unten in der Zirkus-Hierarchie. Er saugt die Manege, kratzt das Popcorn, hilft dabei, das riesige Zelt mit auf- und abzubauen. „Ich habe die Arbeit gemacht, um die sich niemand reißt“, sagt er. In der ersten Zeit ist er noch sehr zufrieden mit seinem Wohnwagen und der Arbeit. Langsam merkt er aber, dass die Arbeit doch ein extrem harter Knochenjob ist. 16 Arbeitsstunden in der prallen Sonne ist Andreas nicht gewohnt. „Ich war kurz davor, nach Hause zu fahren“, berichtet er.
Mittlerweile hat er sich allerdings mit dem Zauberer Simon angefreundet. Als Simon ihn fragt, ob er ihm bei seiner neuen Zaubernummer „Die durchstochene Jungfrau“ assistieren kann, beschließt Andreas, doch zu bleiben. Bei der Nummer trägt er eine Frau durch die Manege und legt sie in eine Kiste, die der Zauberer danach mit brennenden Dolchen durchsticht. Keine leichte Aufgabe: Sein Timing muss genau stimmen, sonst wird es gefährlich. Es dauert nicht lange, und Andreas wird auch Assistent des Jongleurs und wirft ihm die Keulen zu.

Eines Tages lädt ihn der Zirkusdirektors in seinen Wohnwagen ein. Der Direktor kommt aus einer Zirkusfamilie und leitet den Silvers Circus seit 1976. Die Lachfalten in seinem Gesicht erzählen von einer bewegten Geschichte. „Du musst dich nicht einmal verkleiden, und die Leute lachen schon“, sagt der Direktor zu Andreas. Darum wolle er ihn bei der nächsten Station als Clown in der Manege sehen.
Andreas glaubt ihm erst einmal nicht. Doch der Direktor meint es ernst. Gemeinsam mit Dominik, einem erfahrenen Clown, beginnt Andreas die Nummer „Cowboy und Indianer“ einzustudieren. Dominik bringt ihm auch bei, sich in kürzester Zeit zu verkleiden und sich ein Clownsgesicht zu schminken. Mit einer Stoppuhr muss Andreas so lange üben, bis jeder Handgriff sitzt.

Ein Teil der Zirkusfamilie

Dann rollen die Wagen vom Silvers Circus in Rosebud ein, einer Kleinstadt an der Südküste Australiens. Ganz nah am Strand schlägt der Zirkus sein Zelt auf. Die Premiere ist ausverkauft, 800 Besucher kommen zur Vorstellung. Der Vorhang geht auf, Andreas galoppiert mit seinem Steckenpferd in die Manege, die Nummer beginnt. Zusammen mit Dominik bindet er einen Gast an den Marterpfahl. Das Publikum ist begeistert.

Manege frei - Andreas Schaible als Clown im australischen Zirkus
61-mal tritt Andreas als Clown Augusto auf. Von den 500 Dollar in der Woche, die er mit seiner Show verdient, kauft er sich nach einem halben Jahr einen Van und Campingausrüstung und reist mit zwei Freunden vier Monate durch Australien. Ein besonderes Erlebnis für ihn war das australische Weihnachten. Mitten im australischen Hochsommer mit der gesamten Zirkusfamilie Weihnachten zu feiern, das hat für ihn bedeutet, richtig angekommen zu sein. „Da hatte ich das Gefühl, ich bin wirklich ein Teil davon geworden“, erzählt er.

Heute ist Andreas 22 Jahre alt und studiert Wirtschaftswissenschaften in Stuttgart-Hohenheim. In den letzten beiden Semesterferien hat er seine Erlebnisse in Australien noch einmal durchlebt: Mithilfe der Einträge aus seinem Blog (www.andreasschaible.de) hat er an einem Buch über seine Zeit beim Zirkus geschrieben. Wenn das Buch sich verkauft, will er die Einnahmen dem Verein „Humor hilft Heilen“ spenden und damit Krankenhausclowns unterstützen.
Dem Gründer des Vereins, dem Doktor und Autor Eckart von Hirschhausen, hat Andreas schon von der Buchidee erzählt. Das Manuskript ist mittlerweile fertig, jetzt geht er auf Verlagssuche. Einen Titel für das Buch hat er auch schon: „Clown Under“.

 

Erschien im Berliner Tagesspiegel am 22.4.2015, Text von Luisa Meyer